Es ist noch keine 40 Jahre her, da gab es in Stuttgart rund zehn Lederwarenfachhändler. Einer von ihnen: Lederwaren Acker. Das Traditionsunternehmen war damals das kleinste. Heute ist es das einzige.
Unsere Grundbausteine sind einfach toll, erklärt Christoph Achenbach auf meine Frage, warum ausgerechnet Lederwaren Acker noch da sei. Lage, Sortiment, Beratungsqualitäten – letztendlich auch die Emotionen, die wir hervorrufen, all das führte und führt auch weiterhin dazu, dass wir noch da sind. Und es gibt keinen größeren Laden wie unseren in Stuttgart, so der Geschäftsführer, der seit 2006 die Geschicke des Hauses leitet.
WIE VEREINBART MAN HEUTE TRADITION UND INNOVATION?
Die Menschen haben heute ein etwas verklärtes Verhältnis zum traditionellen Einkaufen. Viele bestellen im Internet, weil sie glauben, es dort billiger und bequemer zu bekommen. Dann schließt ein Traditionsgeschäft nach dem anderen – und dann kommt der Aufschrei. Leider zu spät. Und dennoch benötigt eine Stadt wie Stuttgart ihre Fachgeschäfte. Sie sind identitätsstiftend für eine Stadt. Die Leute sind mit Lederwaren Acker aufgewachsen. Was macht denn eine Stadt aus: die Leute, die Läden, die Gebäude. Und das schätzen die Leute noch? Sie haben halt noch andere Möglichkeiten, es gibt alles immer. Früher gab es eine begrenzte Auswahl und man hat gekauft, weil man es wirklich brauchte. Das ist heute ganz anders. Die Menschen haben mehr von einer Sorte, die Persönlichkeit verändert sich mit den Jahren und damit der Stil.
Und dennoch, unsere Kunden wollen Beratung, wollen Anfassen, wollen sich umsehen, bevor sie kaufen. Das Haptische ist wichtig. Die Interaktion mit den Menschen macht den Reiz unserer Tätigkeit aus. Das ist wahrscheinlich auch das wahre Geheimnis, warum wir immer noch da sind: Wir versuchen mit den Leuten auf deren Ebene in Kommunikation treten.
Ist das Internet ein Problem? Unser Sortiment umfasst 20.000 Artikel, das ist schon groß. Trotzdem können wir mit dem Internet nicht mithalten. Ich kann nicht alle Sortimente haben. Ich muss mich spezialisieren. Wenn ich von jedem ein bisschen habe, verliere ich meine Kompetenz. Das heißt, ich schaue vor allem auf die Qualität und natürlich nach dem Preis-Leistungsverhältnis. Außerdem kann man bei uns alles ziemlich kurzfristig bestellen, so flexibel sind wir schon. Aber eben nicht alles gleich zum Mitnehmen. Viel Beratung, um dass dann doch im Internet bestellt wird? Der Trend ist eher umgedreht: Die Leute informieren sich im Internet und kommen dann zu uns. Denn die, die uns kennen, wissen, sie bekommen hier das Beste für ihr Geld.
DAS GUTE BEWAHREN UND TROTZDEM ZUKUNFTSFÄHIG BLEIBEN
Wir schaffen es natürlich nicht alleine, die nächsten 50 Jahre zu überleben. Ich muss Einfluss darauf nehmen, dass Stuttgart auch in Zukunft attraktiv bleibt, dass Touristen die Stadt attraktiv finden, nur dann haben wir genügend Frequenz. Ein großes Unterfangen… Oh ja. Ich engagiere mich in City Initiative Stuttgart (CIS) und in den Stuttgarter Traditionsgeschäften. Stuttgart muss einzigartig bleiben, das muss propagiert werden, denn das ist das A und O. Wir als Geschäft müssen aber auch etwas für uns tun. Müssen über den Service hinaus neue Wege beschreiten. Modern sein, offen für die Bedürfnisse der Kunden. Handel ist Wandel – man muss investieren, muss seine Hausaufgaben selber machen. Dann hat man Chance, dass es weiter geht. Stillstand ist das Ende.
Aber es gibt auch andere Komponenten, die hinzukommen und die wir nicht beeinflussen können: Terrorgeschichten, sexuelle Übergriffe… Das trägt nicht zum guten Image von Städten bei, aber es bremst alles. Da ist mal wieder die Politik gefragt. Genau wie bei dem Thema Chancengleichheit von Fachgeschäften gegenüber dem Internet. Wir dürfen Sonntag nicht verkaufen. Wir haben ein Ladenschlussgesetz. An umsatzträchtigen Adventswochenenden müssen die Türen geschlossen bleiben. Das Internet ist frei.
Sind denn Stuttgart ihre Traditionsunternehmen nicht wichtig? Es passiert nicht viel, jedenfalls spürt man nicht viel. Die Stadt hat selber Probleme und andere große Themen: Stuttgart 21, Feinstaub…
TRAUMJOB? JA; ABER MIT VERANTWORTUNG
Wir sind eben auch „nur“ ein Familienunternehmen. Da muss man alles selber machen, da gibt es keine Teams für Marketing, Presse oder Analyse. Ich mache mir jeden Tag Gedanken, denn ich will, dass es immer weiter geht. Es macht schon Spaß, ein Familienunternehmen zu führen. Ist die große Verantwortung eine Last? Natürlich trage ich eine große Verantwortung. Aber so lange es funktioniert, kann ich auch ruhig schlafen. Lacht. Ich nehme das Ganze ernst, doch es gibt Dinge, die kann ich nicht ändern – da bin ich dann total entspannt und es belastet es mich auch nicht. Ich bin bescheidener und zufriedener Mensch. Ich kann mich auch an kleinen Dingen freuen, brauche nicht das große Tamtam.
[red_box]HISTORIE 1927 Gründung eines Devotionalienhandel durch Hugo Acker in der Kronprinzenstraße +++ 1936 Umzug in den Königsbau +++ 1944 Zerstörung des Königsbaus und Ausbombung des Geschäftes +++ 1959 Wiedereröffnung durch Elisabeth Acker nach Wiederaufbau des Königsbaus. Im Sortiment gab es Handtaschen, Koffer, Aktentaschen, Kleinleder und Reiseartikel +++ 1978 Dr. Doris und Rainer Rudolph kaufen das Geschäft mit einer Verkaufsfläche von 60 qm. Lederwaren Acker ist das kleinste von zehn Lederwarenfachhändlern in Stuttgart +++ 1981 Übernahme des benachbarten Geschäftes „Lampen Ruess“ sowie Sortimentserweiterung um Lederbekleidung +++ 1982-86 stetige Vergrößerung des Ladens +++ 1993 Die Ladenfläche wird auf 300 qm erweitert +++ 1995 kommen Handschuhe, Tücher, Schals und Schrie hinzu. Die Lederkleidung fällt weg. +++ 2006 Christoph Achenbach tritt die Nachfolge an. +++ 2011 Modernes Konzept und Umbau +++ 2014 Christoph Achenbach ist Gründungsmitglied der Stuttgarter Traditionsgeschäfte [/red_box]